Paradigmenwechsel in der Eingliederungshilfe

Das grundlegende Umdenken in der Eingliederungshilfe, der Paradigmenwechsel, steht im Mittelpunkt der Reform des Bundesteilhabegesetzes (BTHG). Lange ging man in der Eingliederungshilfe vom Modell der Fürsorge aus. Mit dem BTHG verändert sich dieses Modell grundlegend zu einem Ansatz, der Selbstbestimmung und Eigenständigkeit fördert und sogar voraussetzt.

Traditionell war die Eingliederungshilfe stark fürsorglich geprägt. Oft wurde dabei der Mensch mit seinen eigenen Wünschen wenig einbezogen. Der neue Ansatz stellt die Selbstständigkeit der Menschen mit Beeinträchtigungen in den Focus. Dies hat zahlreiche Vorteile:

  • Eigenverantwortung und Befähigung (Empowerment): Menschen lernen, Entscheidungen selbst zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Dieses führt zum Erleben von Selbstwirksamkeit, welches sich wiederum positiv auf den eigenen Selbstwert auswirkt.
  • Langfristige Unabhängigkeit: Autonomie fördert die Fähigkeit, alltägliche Aufgaben eigenständig zu bewältigen und verringert die Abhängigkeit von Betreuungspersonen.
  • Würde und Respekt sowie die Rechte von Menschen mit Behinderungen: Selbstbestimmung bewahrt die Würde der Menschen und verhindert eine bevormundende Haltung.
  • Anpassung an individuelle Bedürfnisse: Unterstützung findet nur dort statt, wo sie tatsächlich benötigt wird, was zu einer effizienteren und bedarfsgerechteren Hilfe führt. Selbstbefähigung (Empowerment) bedeutet, dass Klient*innen selbst entscheiden können, welche Unterstützung sie annehmen, ohne dass Betreuungspersonal gegen ihren Willen handelt.

Aber auch einigen Herausforderungen:

Spannungsfeld Fürsorge und Selbständigkeit: Insbesondere für Angehörige ist dies nicht immer einfach. Sie müssen den Wunsch nach Selbstbestimmung ihres Sohnes oder ihrer Schwester akzeptieren lernen, auch wenn dies manchmal ihrem Grundverständnis ihrer fürsorglichen Haltung widerspricht. Frei nach dem alten Motto: „Ich weiß ja was gut für dich ist!“. 

Selbstständigkeit und eigene Risiken: Selbstständig Entscheidungen zu treffen heißt auch Risiken einzugehen oder sich doch für ein ungesundes Verhalten zu entscheiden. Der Mensch selbst trifft diese Entscheidung. Angehörige und (gesetzliche) Betreuende müssen dies akzeptieren lernen. 

Instrumente zur Bedarfsermittlung

Dieser Wandel wird durch Instrumente wie das BEI_NRW (Bedarfsermittlungsinstrument Nordrhein-Westfalen) und PerSEH (Personenzentrierte Steuerung der Eingliederungshilfe) unterstützt und konkretisiert. Dabei geht es darum, die individuellen Bedürfnisse, Wünsche und Ziele von Menschen mit Beeinträchtigungen besser zu verstehen und darauf basierend eine maßgeschneiderte, selbstbestimmte, personenzentrierte Unterstützung zu gewährleisten.

BEI_NRW

BEI_NRW dient der präzisen Bedarfsermittlung. Es ermöglicht, die genauen Bedürfnisse einer Person zu erfassen, indem die Lebenssituation sowie Wünsche und Ziele des Menschen erfragt werden. Dies bildet die Grundlage für die individuelle Unterstützung und stellt sicher, dass der Mensch im Mittelpunkt des Prozesses steht.

PerSEH

PerSEH ist ein Programm, das bei der Verwaltung und Steuerung der Eingliederungshilfe hilft. Es dient dazu, die ermittelten Bedarfe in konkrete Maßnahmen zu übersetzen und diese zu überwachen. Hier wird sichergestellt, dass die erbrachten Leistungen den festgelegten Zielen entsprechen und die gewünschten Fortschritte erzielt werden.

Der Einsatz von BEI_NRW und PerSEH unterstützt und forciert diesen Paradigmenwechsel, indem er eine präzise Bedarfsermittlung und eine zielgerichtete Umsetzung der Hilfe ermöglicht. Dies sorgt dafür, dass Menschen mit Beeinträchtigungen nicht nur die notwendige Unterstützung erhalten, sondern auch in die Lage versetzt werden, ihr Leben aktiv und selbstbestimmt zu gestalten.